Burgring-Ehemaligentreffen 7.2.09
Die handliche Hartschaumplatte auf den Schoss gedrückt, die großflächige Landkarte auf überschaubares Format darauf zusammengefaltet, den auszuführenden Fahrauftrag mit kleinen Nädelchen möglichst punktgenau hierauf fixiert, je einen Blei- und einen Filz-stift hinters Ohr geklemmt, den Zeigefinger der rechten Hand aus dem Fenster streckend – so gibt Beifahrer Anton seinem Fahrer die aktuelle Fahranweisung: „Da vorne, Ende Weidezaun, da muss es rechts ab gehen.“
Wir schreiben das Jahr 1967. Die beiden Nideggener Toni Oepen und Gregor Falter be-wegen sich in der Region mittels VW-Käfer auf so genannten Wirtschaftswegen, die zu dieser Zeit noch nicht ausschließlich der Landwirtschaft vorbehalten waren. Dort, wo – meist versteckt hinter einem Mariendenkmal oder hinter grünem Baumgestrüpp – die so genannten Streckenposten standen, um die ordnungsgemäße Einhaltung der vorge-schriebenen Fahrtstrecke mittels Eintrag in der mitgeführten Bordkarte zu bestätigen.
Das Team Falter/Oepen war eines von etlichen Teilnehmern einer Orientierungsfahrt, die als Motorsport des kleinen Mannes die Welt des großen Rallyesports erahnen ließ, aber im Grunde genommen mit dem Volldampf-Driften auf abgesperrten Schotterstrecken so gut wie nichts gemeinsam hatte. Und dennoch, wenn die Beiden am Arbeitsplatz oder am Stammtisch von ihren Wochenend-Erlebnissen erzählten, dann sprachen sie meist von der “Rallye“, die sie mal wieder gefahren waren. Denn mit der Bezeichnung ’Orien-tierungsfahrt’ konnte auch damals der Großteil der Bevölkerung rein gar nichts anfangen.
Insgesamt fünf bis sechs solcher Fahrer/Beifahrer-Teams hatten sich Ende der sechzi-ger Jahre in der ehemaligen Herzogstadt Nideggen zu einem Motorsportclub zusam-mengefunden, unter dem Namen MSC Burgring Nideggen. Und zu ihnen stießen dann im Laufe der Jahre etliche gleich gesinnte Teams, meist aus dem Dürener Raum und allesamt dem Orientierungssport verfallen, und dem Bazillus, teils Woche für Woche der Schnellste am Steuer zu sein, sofern der Beifahrer in adäquater Geschwindigkeit die auf Pergamentpapier übertragenen Fahrtskizzen erst auf die Landkarte und dann in die Na-tur umzusetzen in der Lage war.
Unter dem Schlagwort „Das ist jetzt dreißig Jahre her“ kamen nun am vergangenen Wo-chenende die Erinnerungen zurück an diese aktive Zeit, die mit Gründung von Familie oder mit Eintritt in ernsthafte Berufskarrieren für die Meisten Ende der siebziger Jahre endete. Dass diese Zeit in den Köpfen wieder aktiv wurde, und dass die verschiedensten Erlebnisse mit den Schilderungen der teils unterschiedlichsten Charaktere wieder leben-dig wurden, das ist Heinz Schmitz und seinem Sohn Kevin zu verdanken. Die Beiden haben es geschafft, nach intensiver Vorbereitung im Nideggener Restaurant ’Felsen-rundgang’ fast die komplette Clubmannschaft von damals nochmals zusammen zu trom-meln, und das summierte sich dann in der Tat auf knapp fünfzig Leute.
Dass der Motorsportclub Burgring Nideggen auch heute noch existiert, war der Mehrzahl der Erschienenen gar nicht mal so klar – und dem Anlass des heutigen Treffens entspre-chend auch gar nicht mal so wichtig. Denn Vergangenheit war heute gefragt. Man hätte dennoch den aktuellen Vorsitzenden Peter Hocke mal gerne kennen gelernt – aber der war, siehe Aktivenzeit, wegen Teilnahme an einer Motorsport-Meisterschaft verständli-cherweise verhindert.
Alte Fotos von früheren Mannschaftsehrungen machten die Runde, der damalige Sport-leiter brachte gar einen ganzen Ordner mit voller Dokumente eines einzigen Aktiven-Jahrgangs, und es gab genügend Gesprächsstoff für die Mannen von damals.
War es nicht unser Gregor, der sich am Samstagnachmittag mit seinem blitzblanken VW von seiner Frau verabschiedet hatte unter dem Vorwand, sich im Baumarkt nach preis-werten Dämmplatten für den Kellerraum umzuschauen, aber in Wirklichkeit ’mal schnell’ mit seinem Kumpel eine ’Ori’, wie sie kurz genannt wurde, fahren wollte? Heute sind dies Anekdoten, aber schon damals zeigte es, wie schwierig es manchmal war, diesen Sport mit dem Familienleben in Einklang zu bringen.
Heute bewegen sich diese Mannen ’von damals’ in der Nähe des Rentenalters. Was nicht unbedingt gleichbedeutend sein muss mit der Tatsache, dass alle ausnahmslos dem Motorsport abgeschworen haben. Als Team Mattner/Materlik beispielsweise tau-chen noch Namen aus der Vergangenheit bei (jetzt ’richtigen’) aktuellen Rallies auf.
Und zugegebenermaßen waren am Wiedersehen-Wochenende auch zahlreiche Burg-ring-Motorsportler erschienen, die ’erst’ im Laufe der 80er Jahre zum Club gestoßen wa-ren, und die sich, anders als das heutige Rentner-Völkchen, mehr der Rundstrecke, dem Slalom oder halt dem ’richtigen’ Rallyesport gewidmet hatten. Den ’Alten’ von damals sagten diese Gesichter und deren Geschichten recht wenig, ließen aber das breite Spektrum des ’kleinen’ Motorsports auch bei Ihnen wieder lebendig werden. Und man spürte quasi immer wieder das Zucken im rechten Fuß, um auf unbefestigten Wegen seinem Fahrzeug noch einmal so richtig die Sporen zu geben. Aber dafür muss man heutzutage schon eher in nordische Länder reisen, denn hierzulande ist mittlerweile so gut wie jeder nicht asphaltierte Weg mit Fahr-Verbotsschild versehen. Und das ist viel-leicht auch gut so. Denn so bleibt die Jagd über Feld-, Wald- und Wiesenwege von frü-her in bester Erinnerung – ohne sich verpflichtet zu fühlen, auch heute noch mal (mit der Familienkutsche) über so genannte Schotterstrecken stochen zu müssen. |
