Schwäbisch Hall / Berlin. Mit einem Kick durch die beiden Torstangen, einem Fieldgoal 37 Sekunden vor Spielende, machten die Schwäbisch Hall Unicorns alles klar. Im Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn Sportpark verteidigten sie am vergangenen Samstag mit 56:53 Punkten gegen die Kiel Baltic Hurricanes vor mehr als11.000 Zuschauern ihren Titel als Deutscher Meister.
Nach dem 33. German Bowl im vergangenen Jahr in Magdeburg dachten viele Zuschauer im Stadion wie vor den Fernsehschirmen – Eurosport übertrug das Spiel damals wie auch in diesem Jahr live -, dass es ein spannenderes Finale um die deutsche Footballmeisterschaft nicht geben könnte. Auch vor einem Jahr wurde die Partie in den letzten Sekunden entschieden. 2012 straften dieselben Endspielgegner, die Schwäbisch Hall Unicorns und die Kiel Baltic Hurricanes all diese Gedanken Lügen. Wieder standen sich die Nord- und die Südmeister der zweigeteilten Bundesliga (German Football League GFL) gegenüber, die sich durch die im K.O.-System ausgespielten Play Offs bis ins Finale gekämpft hatten, gegenüber. Die beiden derzeit wohl besten deutschen Footballteams boten sie sich eine erbitterte Angriffsschlacht in der am Ende mit insgesamt 109 erzielten Punkten erneut ein neuer German-Bowl-Rekord aufgestellt wurde.
In der ersten Hälfte sahen die mehr als 11.000 Zuschauer im Stadion, unter denen sich gut 1000 mit einem Sonderzug aus Hall angereiste Fans befanden, den erwarteten Schlagabtausch zweier Spitzenteams. Die Unicorns erzwangen bereits in den ersten Minuten des Spiels einen Ballwechsel und erzielten die ersten Touch Down-Punkte. Mit 10:7 Punkten lagen sie am Ende des ersten Viertels vorne. Eine Minute vor der Halbzeitpause aber lagen die Haller mit 20:24 zurück. Angefeuert von ihren enthusiastischen Fans, deren „Unicorns, Unicorns“-Rufe selbst durch den Lärm der restlichen 10.000 Zuschauer hörbar waren, konnten sich die Haller aber auf ihr Spitzen-Angriffsduo verlassen, das schon während der Saison unter dem Nickname Spitz’n’Fritz bekannt wurde: ein riskanter 3-Yard-Pass von Quarterback Jake Spitzlberger auf Receiver Fritz Waldvogel brachte die Haller Unicorns wieder in Führung und Thomas Rauch vollendete mit seinem Punt after Touch Down (PAT) zur 27:24-Halbzeitführung.
Beide Teams mussten im Lauf des Spiels heikle Verluste hinnehmen. Bei den Unicorns verletzten sich mit Defense Tackle Paul Nishizaki und Linebacker Daniel Emmanuel im zweiten und dritten Viertel zwei der besten Verteidiger. Die Kieler verloren am Ende des zweiten Viertels ihren Top-Angreifer Trevar Deed, der sich mit Tränen in den Augen am Rand des Spielfeldes den Arm schienen lassen musste und wenig später ihren Center Oliver Beeck durch einen Platzverweis. Er hatte nach Ende eines Spielzuges im dritten Viertel nach einem Haller Spieler geschlagen.
Dessen ungeachtet, vielleicht durch diese Vorfälle extra angespornt, gelang es den Norddeutschen aber genau jetzt, das Spiel zu ihren Gunsten zu drehen. Kurz vor Ende des dritten Quarters (die reine Spielzeit beträgt 4x12 min.) hatten sich die Baltic Hurricanes einen 15-Punkte-Vorsprung (45:30) erspielt. Die Stimmung im Haller Lager kühlte merklich ab. Vom Spielfeldrand schaute Defense Coordinator Andreas Wengertsmann mit versteinertem Gesicht auf seine unkonzentriert agierenden Spieler, die ein ums andere Mal Lücken für die Kieler Offense öffneten, Head Coach Siegfried Gehrke diskutierte mit eingefrorenem Lächeln mögliche alternative Vorgehensweisen und viele sahen die Felle der Unicorns davon schwimmen. Doch dann ging’s wie ein Ruck durch das Team, die Haller zeigten, was sie neben der rein sportlichen Leistung in den letzten Jahren mehr und mehr auszeichnete: Teamgeist und Vertrauen in das eigene Leistungsvermögen. Und selbst die Fans ließen nicht nach mit ihren Anfeuerungsrufen, auch wenn sie sich ihr übliches „Go Green Go“ verkniffen, denn auch die Hurricanes spielen die Saison über in grünen Trikots. (Halls Unicorns mussten sich im Endspiel, wie schon im vergangenen Jahr, weiße Trikots überstülpen)
Mit einem 46-Yard-Pass von Spitzlberger auf Felix Brenner (CON Marcel Poletty – im Gegensatz zu einem PAT bringt die Conversion, sozusagen ein zweiter Touch Down-Wurf in die Endzone, zwei Punkte) kamen die Schützlinge von Head Coach Siegfried Gehrke 30 Sekunden vor dem letzten Seitenwechsel auf 38:45 heran und leiteten damit die spannungsgeladene Endphase des Spiels ein. Kiel konterte mit einem Pass von Jeff Welsh auf Philipp Dohrendorf (CON Philipp Jareschewski) zum 53:38. Ein erneuter Tiefschlag für die Unicorns, den sie aber in Form eines 56-Yard-Passes von Spitz’n’Fritz (PAT Rauch) zum 45:53 wegsteckten.
In der Folge stoppte eine wieder erstarkte Haller Defense ihre Gegner, bekam fünf Minuten vor Schluss den Ball an der eigenen 8-Yard-Linie. Das war für Kiel wohl zuviel. Die 92 Yards zur Kieler Endzone überbrückten die Titelverteidiger souverän mit sechs Spielzügen. Den letzten davon besorgte der später zum besten Spieler des 34. German Bowls gewählte Jake Spitzlberger (CON Aurieus Adegbesan) zum 53:53-Ausgleich im Alleingang und der Berliner Jahn-Sportpark tobte
Kiel hatte nun noch 2:30 Minuten Zeit, das Spiel für sich zu entscheiden. Doch die Haller Defense ließ nicht mehr als drei unvollständige Hurricanes-Pässe und im letzten Versuch einen Befreiungskick zu. Wieder kamen die Unicorns in Ballbesitz, ohne dass Kiel Punkte sammeln konnte, diesmal an der eigenen 10-Yard-Linie. Die Spannung war regelrecht fühlbar.
37 Sekunden vor dem Spielende standen die Unicorns mit einem vierten Versuch an der Kieler 30-Yard-Linie und Head Coach Siegfried Gehrke entschied sich nach einem Timeout und kurzer Besprechung mit dem Team auf dem Feld für einen Fieldgoal-Versuch. Sein Vertrauen in Kicker Thomas Rauch wurde belohnt: Über 47 Yards segelte der Ball zum 56:53-Endstand zwischen den Torstangen hindurch! In den verbleibenden 29 Spielsekunden jagten Thomas Rauch und Simon Brenner den Kielern sogar noch den Ball ab und sicherten damit endgültig den erfolgreichen Abschluss der Haller Mission „Titelverteidigung“.
Patrick Esume (Head Coach der Kiel Baltic Hurricanes) in der Pressekonferenz nach dem Spiel: „Schwäbisch Hall ist verdient Meister geworden. Sie haben die Big Plays in Punkte umwandeln können. Natürlich ärgert es mich, dass wir nach einen 15-Punkte-Vorsprung verloren haben. Vor ein paar Minuten hat die neue Saison begonnen und ich bin mir sicher, dass wir im Finale 2013 Hall wieder sehen werden.“
Siegfried Gehrke (Schwäbisch Hall Unicorns): „Der Ablauf des Spiels ist nicht unbedingt anders, als erwartet verlaufen. Wir mussten einfach etwas riskieren. Die Zuschauer haben uns emotional sehr geholfen, auch wenn es in der Teamzone lauter war als normalerweise auf unsrem heimischen Platz.
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