Mitten in Hohenlohe, im kleinen Örtchen Orlach hoch überm Kochertal, sind knapp 25 Flüchtlinge im alten Pfarrhaus untergebracht. Ehrenamtlich betreut werden sie von einem Freundeskreis, der sich im März nach einer Bürgerversammlung zusammen gefunden hat. Einmal im Monat treffen sie sich, wenn’s Not tut auch öfter.
Wieviele Hohenloher Franken sind eigentlich geflohen oder ausgewandert, als Württemberg im 19. Jahrhundert diesen Landstrich besetzte und es keine zwanzig Jahre danach eine Hungersnot gab? Heutzutage kommen Flüchtlinge nach Hohenlohe, denen es in ihren Heimatländern oft lebensgefährlich schlechter geht, als den Hohenlohern damals unter den Schwaben. Doch für die meisten Menschen hierzulande sind Flüchtlinge und Asylbewerber nur Figuren, die in den Nachrichten vorkommen. Wenn sie dann, leider oft kurzfristig ohne Vorinformation, in der Nachbarschaft einquartiert werden und auf unseren Straßen auftauchen, erwächst daraus bei manchen Bürgern Furcht, Unmut und Gegnerschaft, bei andern Mitgefühl und die Erkenntnis, dass man diesen Menschen helfen muss.
In Braunsbach kam die Information über die Einquartierung von Flüchtlingen rechtzeitig und bei einer Bürgerversammlung. bildete sich rasch ein harter Kern von Freunden, die den Flüchtlingen bei ihrem Alltag helfen. 17 von ihnen, 13 Frauen und vier Männer, trafen sich jüngst im Orlacher alten Schulhaus, um die neuesten Entwicklungen auszutauschen und Organisatorisches zu koordinieren.
So war dieses Treffen wichtig, um zu klären, wer für was Ansprechpartner ist und wie was an wen weitergeleitet wird, wenn etwas nicht gleich vor Ort behoben oder geklärt werden kann, damit nicht in ein und derselben Sache auf verschiedenen Wegen versucht wird zu helfen. Etwa im jüngsten Fall: Eine der Familien erhielt den Bescheid, dass ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Was der Behörde nicht bekannt war: die Mutter dieser Familie ist hochschwanger,Diagnose Risikogeburt. Statt abgeschoben wird die Familie nun demnächst nach Crailsheim übersiedelt, weil dort die Unterkunft näher am Krankenhaus liegt, als das abgelegne Örtchen Orlach. Eine andere Familie der ursprünglich Einquartierten ist freiwillig in die Heimat zurückgekehrt und wurde von einem Mitglied des Freundeskreises bis zum Flughafen begleitet. Doch das sind die großen Ereignisse, die von den zuständigen Behörden geregelt werden. Der Freundeskreis kümmert sich um die kleineren Dinge, die aber nicht weniger wichtig sind: Um Fußbälle für die Kinder und Jugendlichen etwa. Oder woher bekommt einer der Jugendlichen, der vom örtlichen Sportverein als Talent für die Jugendmannschaft entdeckt wurde, Kickschuhe in richtiger Schuhgröße?
Sechs gespendete Fahrräder gibt es mittlerweile. Für einen der Jugendlichen bräuchte man noch eines mit 24 Zoll Rädern, denn was er jetzt benutzt, ist ein viel zu kleines Kinderrad. Wie war das mit dem gespendeten Fernseher, der nicht mehr funktionierte? „Da musste nicht das Gerät im Gemeinschaftsraum sondern die defekte Satellitenanlage repariert werden“, berichtet Joachim Bürkle. Und ein weiteres gespendetes Gerät soll zu den jüngeren alleinstehenden Asylanten im Dachgeschoss kommen, beschloss die Gruppe, denn ihre Sehgewohnheiten sind sicher anders, als die der Familien.. Einen Garten haben sich die Flüchtlinge ebenfalls angelegt und werden dabei von Mitgliedern des Freundeskreises betreut und unterstützt. „Aber was kann man etwa gegen Drahtwürmer tun, die dem Salat die Wurzeln abfressen?“, fragte Irmgard Gehring. Weizen dazwischen säen, den mögen die Würmer lieber, und viel hacken, googelt schnell eine der Jugendlichen aus der Gruppe die Antwort. Auch sie sind, aktiv, helfen den Flüchtlingskindern in der Schule, verbringen manche Stunde Freizeit mit ihnen. Eine der jugendlichen Asylbewerberinnen hat die Schule verlassen und darf jetzt in einem der Braunsbacher Kindergärten bei der Betreuung helfen. „In der Schule war sie unglücklich, wirkte depressiv, hatte Heimweh, jetzt geht es ihr deutlich besser“, berichtet Juliane Honerla, direkte Nachbarin der Flüchtlinge in Orlach. Auch Erwachsene bekommen Deutsch-Unterricht. Grundlegendes lernen sie mithilfe von Prospekten der Supermärkte, die sie von den durch den Freundeskreis organisierten wöchentlichen Einkaufsfahrten mitbringen. „Woher kann man geeignete Übungshefte bekommen und wo kann ich Kopien für Übungsblätter machen?“, fragt Ilse Kentner aus dem benachbarten Tierberg, die den Unterricht gibt.
Ein anders Problem: Warum muss die Behörde den größten Raum im Erdgeschoss für sich als Büro beanspruchen? Das wäre ein idealer Raum für die Kleiderkammer, besser jedenfalls als im Flur in Kartons gespendeter Kleidung nach Passendem zu wühlen. Und, woher kriegen wir eine Wäschespinne, oder können wir selbst im Pfarrhausgarten Stangen einbetonieren, um daran Wäscheleinen aufzuspannen?
Finanziert hat sich der Freundeskreis bislang aus Spenden und den Erlösen eines Willkommensfestes im April. Anfang Juli wird es ein weiteres Fest geben. „Wir wollen gemeinsam grillen. Dazu brauchen wir Geflügelwürstchen, Steaks, nicht vom Schwein, Getränke ohne Alkohol und...“ Es sind so viele Kleinigkeiten zu bedenken und zur organisieren. Klein, aber nicht weniger wichtig.
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