Bereits vor drei Jahren sorgte Sandy Green mit ihrem Roman „Zaunkönigin“ für Aufsehen. Erstmals befasste sich die Autorin mit dem unaufgearbeiteten Thema der Häftlingsbordelle in den Konzentrationslagern des Naziregimes.
Inzwischen wurde dieses Thema mehrfach in den Medien aufgegriffen. Doch nun legt Sandy Green nach, denn während ihrer intensiven Recherchen zu ihrem Roman „Zaunkönigin“ stieß sie auf eine noch erschütternde Einrichtung der Nationalsozialisten – die SS-Bordelle, die stets in der Nähe der Konzentrationslager für das Wachpersonal eingerichtet wurden und in welchem überwiegend Häftlingsfrauen aus dem großen Frauenlager Ravensbrück oder den Frauenabteilungen der anderen Lager zur Prostitution gezwungen wurden.
Doch anders als in den Häftlingsbordellen, in welchen strenge Regeln herrschten, war den Männern in den SS-Bordellen alles erlaubt. Sie wüteten mit unmenschlicher Grausamkeit und viele Frauen überlebten die Qualen nicht. Bis heute wurde auch dieses Thema nicht aufgearbeitet, sondern sorgsam mit dem Mantel des Schweigens bedeckt. Sandy Green hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Mantel zu lüften und den zum Schweigen verurteilten Frauen eine Stimme zu verleihen. Allein zwei Jahre hat die Autorin damit verbracht, die richtige Sprache für das eigentlich Unsagbare zu suchen. Schließlich hat sie sie gefunden und legt nun ihren neuen Roman „Leben heißt mein finstres Träumen“ vor.
Sandy Green ist es gelungen, die schmale Gradwanderung zwischen Unerträglichkeit und Hoffnung in Sätze zu fassen. Behutsam und mit viel Sensibilität versteht sie es, das Schicksal der Frauen mit Leben zu füllen, ihre Erinnerungen zu teilen, aus welchen sie ihre Kraft schöpften, aber auch ihre Hoffnungen, die sie am Leben erhielten. Dabei erspart sie dem Leser keineswegs die schockierenden Szenen, die sich in den SS-Bordellen abgespielt haben und die sie sorgfältig recherchierte. Trotz all der Unmenschlichkeit, die die Autorin greifbar macht, schafft sie es dennoch, den Leser mit neuer Hoffnung zurück zu lassen.
„Leben heißt mein finstres Träumen“ ist ein mutiges Buch einer mutigen Autorin, die von ihrem Verantwortungsgefühl angetrieben wird, Menschenverachtendes aufzuarbeiten, um eine Wiederholung zu verhindern. Aus diesem Grund spendet sie auch einen Euro pro verkauftem Buch an das Projekt „Eva“ des Caritasverbandes Wuppertal/Solingen, das sich um junge Migrantinnen bemüht, die Opfer von Zwangsprostitution, Menschenhandel und Zwangsheirat geworden sind. „Laut einer Studie sind jährlich weltweit 22.500 Frauen Opfer von Zwangsprostitution“, erklärt Caritasdirektor Christoph Humburg. Die Dunkelziffer ist unschätzbar höher. Die Caritasmitarbeiterinnen versuchen, die Frauen in Solingen und Wuppertal zu erreichen, wobei das sehr schwierig ist. „Sie werden in Privatwohnungen untergebracht und alle paar Wochen werden die Frauen ausgewechselt, damit keine Kontakte nach Außen möglich sind“, weiß Humburg. Die Strukturen der sexualisierten Gewalt seien in allen Zeiten gleich. Deshalb freue er sich sehr, dass das neue Buch von Sandy Green dieses Thema ins Gespräch bringt. Auch die Bereichsleiterin für Kultur und politische Bildung der Bergischen VHS, Dagmar Becker, betonte: „Es ist wichtig, dass Veranstaltungen zu solchen Themen in der VHS immer wieder stattfinden. Die Zeit scheint reif zu sein, solche geschichtlichen Bereiche jetzt aufzuarbeiten.“
„Leben heißt mein finstres Träumen“ ist im custos verlag, Solingen in der edition historia erschienen. ISBN 978-3-943195-01-9, 140 Seiten, 9,90 Euro.
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