Die Forstwirtschaft steht vor der Herausforderung, die wachsende Nachfrage nach dem nachwachsenden Rohstoff Holz zu bedienen und gleichzeitig die vielfältigen Funktionen des Waldes als Ökosystem zu erhalten. Dass dies kein Widerspruch sein muss, zeigen Best Practices einer ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Waldbewirtschaftung.
Selektiver Holzeinschlag – weniger ist manchmal mehr
Anstatt ganze Waldbestände kahlzuschlagen, setzt die moderne Forstwirtschaft auf die gezielte Entnahme einzelner Bäume. Dieser selektive Holzeinschlag erhält die natürliche Struktur und Vielfalt des Waldes. Durch die kontinuierliche Ernte von Holz in Verbindung mit Pflegemaßnahmen entstehen stabile Mischwälder, die langfristig höhere Erträge liefern als Monokulturen. Voraussetzung dafür ist eine schonende Fälltechnik, wie sie beispielsweise in Motorsägenlehrgängen in Baden-Württemberg vermittelt wird.
Ein wichtiger Aspekt des selektiven Holzeinschlags ist die Auswahl der zu entnehmenden Bäume. Dabei spielen Kriterien wie Alter, Gesundheitszustand, Qualität und Wuchsform eine Rolle. Ziel ist es, vitale und wertvolle Bäume zu fördern und gleichzeitig schwache, kranke oder schlecht geformte Exemplare zu entnehmen. So entwickelt sich der Wald stetig in Richtung eines stabilen, leistungsfähigen und arten reichen Ökosystems. Durch die Orientierung an natürlichen Prozessen und den Verzicht auf Kahlschläge werden zudem Bodenerosion und Nährstoffverluste vermieden. Der selektive Holzeinschlag erfordert zwar einen höheren Planungs- und Arbeitsaufwand als die Kahlschlagwirtschaft, rechnet sich aber langfristig durch eine nachhaltige und hochwertige Holzproduktion.
Naturverjüngung – der Wald als sein eigener Baumeister
Wälder haben die Fähigkeit, sich selbst zu erneuern. Dieses Prinzip macht sich die naturnahe Forstwirtschaft zunutze. Anstatt Bäume zu pflanzen, lässt man den Baumbestand natürlich nachwachsen. Die Baumarten, die am besten an die örtlichen Bedingungen angepasst sind, setzen sich dabei durch. Das spart nicht nur Kosten für Pflanzgut und Pflege, sondern fördert auch die genetische Vielfalt und Widerstandskraft des Waldes gegenüber Schädlingen und Klimastress.
Totholz – Lebensraum und CO2-Speicher zugleich
Abgestorbene Bäume sind weit mehr als nur Abfall. Als Totholz bieten sie einen unverzichtbaren Lebensraum für zahlreiche Tier-, Pflanzen- und Pilzarten, darunter viele seltene und bedrohte Spezies. Gleichzeitig fungiert Totholz als natürlicher Kohlenstoffspeicher, der dazu beiträgt, den Klimawandel abzumildern. Deshalb ist es ökologisch sinnvoll, einen Teil des Totholzes bewusst im Wald zu belassen, anstatt alles zu verwerten.
Waldrandgestaltung – wo Wald und Offenland sich treffen
Waldränder sind Übergangslebensräume mit einer besonders hohen Artenvielfalt. Durch die gezielte Anlage und Pflege von Waldrändern entstehen wertvolle Rückzugsorte und Nahrungsquellen für viele Tierarten. Stufige, reich strukturierte Waldränder dienen zudem als natürliche Puffer gegen Stoffeinträge von angrenzenden Agrarflächen und verhindern Bodenerosion. Nicht zuletzt werten attraktive Waldränder das Landschaftsbild auf und laden zu Erholung ein.
Eine naturnahe Waldrandgestaltung orientiert sich an den natürlichen Vegetationszonen. Idealerweise besteht ein Waldrand aus einem Krautsaum, einer Strauchschicht und einem Waldmantel mit niedrigen Bäumen. Diese Struktur lässt sich durch gezielte Pflanzungen und Pflegemaßnahmen wie abschnittsweises Auf-den-Stock-Setzen erreichen. Wichtig ist auch, seltene Gehölzarten zu fördern und blütenreiche Säume als Nahrungsquelle für Insekten anzulegen. Regelmäßige Pflegeeingriffe verhindern ein Zuwachsen der Waldränder und erhalten deren ökologische Funktion. Gut geplante Waldränder verbinden Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktionen in idealer Weise.
Agroforstsysteme – Synergie von Acker, Weide und Wald
Agroforstwirtschaft verbindet Elemente des Ackerbaus, der Tierhaltung und der Forstwirtschaft auf ein und derselben Fläche. Durch die Integration von Bäumen in landwirtschaftliche Systeme lässt sich eine nachhaltige Produktion von Holz mit der Erzeugung von Nahrungsmitteln und Futterpflanzen kombinieren. Agroforstsysteme fördern die Biodiversität, verbessern die Bodenfruchtbarkeit und tragen zur Diversifizierung des betrieblichen Einkommens bei.
Es gibt verschiedene Formen von Agroforstsystemen, die an die jeweiligen Standortbedingungen und Bewirtschaftungsziele angepasst sind. Bei der Agroforstwirtschaft im engeren Sinne werden Ackerkulturen zwischen weit gepflanzten Baumreihen angebaut. Die Bäume spenden Schatten, mindern die Windgeschwindigkeit und verbessern das Mikroklima für die Unterkulturen. Gleichzeitig produzieren sie Holz, Früchte oder Nüsse. Eine andere Form sind Waldweiden, bei denen Nutztiere in lichten Wäldern grasen. Die Tiere profitieren vom Witterungsschutz und der Strukturvielfalt, während ihre Beweidung das Aufkommen von Wildkräutern und die Naturverjüngung der Bäume fördert. Agroforstsysteme sind eine zukunftsweisende Form der Landnutzung, die ökologische und ökonomische Vorteile geschickt miteinander verbindet.
Fazit
Die vorgestellten Best Practices zeigen, dass eine nachhaltige Forstwirtschaft möglich ist, die ökonomische und ökologische Ziele in Einklang bringt. Anstatt Wälder als bloße Holzlieferanten zu sehen, gilt es, ihre vielfältigen Funktionen als Ökosysteme zu stärken. Dafür braucht es ein Umdenken hin zu einer ganzheitlichen, multifunktionalen Waldbewirtschaftung, die auf intelligente, naturnahe Konzepte setzt. Nur so können Wälder auch in Zukunft ihre Rolle als erneuerbare Ressource und unverzichtbarer Lebensraum erfüllen.
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