Über der Fülle der wunderbaren Lüdenscheider Konzerte derzeit sollte nicht das „Konzert zur Marktzeit", untergehen, das die Erlöserkirche am vergangenen Samstag, 9.5.2015, geboten hat - eine sehr schöne Einrichtung! Dabei konnte ich wieder einmal erleben, wie wahr der Satz von Ignaz Moscheles (des großen Prager Musikpädagogen) ist: "Die Seele muss durch die Finger zum Herzen dringen, das ist die Hauptsache bei der Musik".
Mit der Seele und den Fingern meint er natürlich die des Künstlers, des Musikers; mit dem Herzen das des Zuhörers. Weit öffnet sich das Herz des Zuhörers beim Hören des C-Präludiums aus dem „Wohltemperierten Klavier“, es hebt sofort in andere Sphären; und dass Kantor Dmitri Grigoriev an der Orgel uns durch seine Spielweise buchstäblich in der Hand hat, merken wir kaum bewusst. Denn der Meister weiß natürlich genau, wie schnell oder langsam die Musik zu spielen ist und verzichtet darauf, das Preludium etwa herunterzurasseln (was er sicher könnte), wie so viele Interpreten, denen es darauf ankommt, zu brillieren. Nein, er spielt es genau a tempo, eingefühlt, mit ganzer Seele, und auch die nachfolgende Fuge. Und alles Nachfolgende des Meisters, von dem Beethoven sagte, dass er nicht Bach, sondern Meer hätte heißen sollen.
Und so findet diese Musik ihren Weg zum Herzen der Zuhörer, sie macht, dass sie sich herausgehoben fühlen aus dem Alltag, empor zum Göttlichen - das, was wir so bitter nötig haben in all dem atonalen Lärm und dem Getöse der Welt. Zum Göttlichen, was sich uns sonst entzieht, beziehungsweise was zu erahnen unsere "Antennen" immer weniger taugen. Zum Frieden.
Dmitri Grigoriev spielt mit besonderem, gemäßigten Impetus - er spielt kraftvoll, aber zart , mit entschiedenem Taktgefühl, aber ohne Schwere. Empathisch. Seine Einfühlung in das jeweilige Stück geht möglicherweise weit über das hinaus, was Bach selbst sich vorgestellt hätte, und dient doch genau dazu, Zugang zum größten aller Meister zu finden, dessen Musik zu lieben. Was der junge Organist aus dem vergleichsweise winzigen Instrument, der Truhenorgel mit ihren Holztasten, herausholt, füllt den Kirchenraum und unser Ohr anders als die große Orgel: Es lässt uns Raum zum Erfassen der einzelnen Töne, wie wenn wir einem geliebten Menschen jedes Wort von den Lippen ablesen und es im Herzen bewegen...
Und was in der Meditation so schwer gelingt - keinen einzigen profanen Gedanken zu denken - kann in dieser halben Stunde in der Kirche, beim Hören der Bachschen Musik, wie von selbst geschehen. Und das will schon was heißen an einem Samstag mittag, wo noch der halbe Tag voller Aktivitäten vor einem liegt.
Ein Tag mehr, der wieder gerettet ist. Eine kleine Gruppe von Menschen mehr, die Freude und Frieden in die Welt hinaus trägt. Danke, Dmitri, und danke, Johann Sebastian! Ja, und danke Erlöserkirche, die ihre Tore öffnet und dieses Erlebnis (Eintritt frei!) möglich macht.
Wir freuen uns schon auf das nächste „Konzert zur Marktzeit“ - am Samstag, 16.05.15 um 11.30 h in der Erlöserkirche am Kirchplatz.
Dia Klee
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