Das Weihnachtsfest ist unseren christlichen Nachbarn und Freunden der
spirituelle Höhepunkt zum Abschluss eines bewegten Jahres. Die Menschen
begehen nach vielen Höhen und Tiefen, nach einem Jahr der Entscheidungen,
Enttäuschungen, Sorgen, aber auch Hoffnungen die Weihnachtszeit und
gedenken der Geburt Jesu. Es ist eine Zeit der Zuversicht und Hinwendung. Zu
religiösen Hochfesten wird im Kreise der Familien, der Lieben und Gemeinden
nachgeholt, was in unserem Alltag über das Jahr verteilt nicht immer
ausreichend gewürdigt und gelebt werden kann. Bei privaten
Zusammenkünften und Veranstaltungen, bei gemeinschaftlichen
Feierlichkeiten und Gottesdiensten entsteht durch die religiöse Botschaft und
die Offenbarung neue Hoffnung und Zuversicht für das sich ankündigende
neue Jahr.
Das Jahr 2017 hat uns viele Aufgaben und Entscheidungen aufgebürdet. Wir
haben teils hoffnungsvoll, teils aber auch besorgt die Folgen von
Entscheidungen hinterfragt und diskutiert, wohin sich unsere Gesellschaft
entwickelt. Wir sehen, dass Individualisierung und die Reduktion des Lebens
auf Konsum und Materialismus nicht nur eine Verschiebung unserer Werte zur
Folge haben, sondern dass Sorgen und Ängste eine Verschiebung dieser
Werte im gesellschaftlichen Kontext mit sich bringen. Wir erleben heute wieder
Anfeindungen auf unseren Straßen, die wir für überwunden hielten.
Menschenfeindlichkeit und das in Frage stellen unserer freiheitlich-demokratischen
Werte auf vielen Ebenen unserer Gesellschaft werden
bedauerlicherweise zunehmend salonfähig.
Auch die Entwicklungen in verschiedensten Regionen der Welt, wo Muslime,
Juden wie auch Christen als Minderheiten um ihre Rechte und oft genug auch
um ihr Leben fürchten müssen, verfolgen wir sorgenvoll. Wir mussten
gemeinsam den Schock des niederträchtigen Terrors auf deutschem Boden
vom 19. Dezember 2016 auf den Weihnachtsmarkt am Berliner
Breitscheidplatz verarbeiten. Unsere Betroffenheit und Anteilnahme ist auch
nach einem Jahr ungebrochen. Wir schließen die Opfer von Terror und Krieg in
unsere Gebete ein und unser Mitgefühl gilt ebenfalls den Angehörigen. Unser
Schulterschluss als Religionsgemeinschaften für Eintracht und gegen Hass, wie
auch unser Zusammenhalt als Gesellschaft, hat den Tätern und den
Provokateuren wichtige Signale gesendet. Das Jahr 2017 war insofern auch ein
Jahr der Hoffnung.
Nach den Diskussionen der Jahre zuvor, haben wir festgestellt, dass unser
Land auch 2017 ein weltoffenes Land geblieben ist.
Zu den Feierlichkeiten und Veranstaltungen zum 500jährigen Jubiläum der
Reformation waren auf Einladung der evangelischen Kirche neben
evangelischen Gläubigen auch katholische, orthodoxe, jüdische und
muslimische Gläubige Teil des Gedenkens und des Nachdenkens. Dies brachte
die Gläubigen in Deutschland näher zusammen. Das Miteinander und der
Beitrag aller Beteiligten für die gemeinschaftliche Verantwortung sei an dieser
Stelle nochmals gewürdigt.
In diesem Sinne bringen die Vorweihnachtszeit und das Weihnachtsfest in
Deutschland die christlichen Gläubigen beim Gottesdienst und Menschen
unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften zu verschiedensten Anlässen
zusammen. In der Nähe zu ihrem Nächsten kommen die Gläubigen auch ihrem
Schöpfer näher. Ganz im Sinne von Nathan dem Weisen und dem koranischen
Vers in der Sure Maide, wonach die Schrift herabgesandt wurde, um das, was
vor ihr war zu bestätigen und uns auffordert: „So eilt zu den guten Dingen um
die Wette. Zu Gott werdet ihr allesamt zurückkehren, dann wird Er euch das
kundtun, worüber ihr uneins waret.“ (Koran 5/48). Möge dieses Fest des
Miteinanders uns also allen Anlass sein, uns der Gnade und Würde der
Schöpfung bewusst zu werden, und uns darin bestärken, noch stärker
gemeinsam für Frieden, Freundschaft und Eintracht auf der ganzen Welt und
für die gesamte Menschheit engagiert zu sein.
Mit diesen Gedanken und Gefühlen wünsche ich den christlichen Gemeinden
und Nachbarn im Namen unseres DITIB-Bundesverbandes, unserer
Landesverbände und Gemeinden ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein
frohes, neues Jahr 2018.
Prof. Dr. Nevzat AŞIKOĞLU
Vorstandsvorsitzender
DITIB-Bundesverband
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