Im Dezember brachte er vier Leute kostenlos ins Theater, nun kehrt er heim, zurück auf den Gartenhof, wo er vor einem Jahr anstrandete und eine Bleibe fand. In einem sehr persönlich gehaltenen Album mit dem Titel: "Leben auf dem Gartenhof - Winter 2013" blickt der ehemalige Obdachlose zurück auf die Zeit vor 12 Monaten, als er noch mit Fahrrad und Schlafsack unterwegs war, in der Hoffnung irgendwo außerhalb Hamburgs eine Wohnung zu finden. Medien hatten bundesweit über die "Tour d´appartement" berichtet.
(GZ /sb) "Es wird wohl nie wieder so sein wie damals", schreibt Max Bryan in sein Tagebuch und denkt dabei auch an seine Kumpels von der Brücke, während er von Hamburg Abschied nimmt. Zwei Jahre hatte er dort mit anderen Wohnungslosen auf der Straße gelebt und viele seiner ehemaligen Weggefährten haben - wie er auch - inzwischen eine Wohnung gefunden.
- Alles gebloggt -
Im November 2011 hatte Bryan die Stadt verlassen - per Fahrrad - und schon während seiner Zeit auf der Straße schrieb er kleine Erlebnisberichte und das Schreiben habe ihn "aus der Schwäche befreit", so der heute 37-Jährige. "Zuspruch kann helfen die Dinge zu verändern und ist das Wort erst geschrieben, gibt es kein zurück" und die "Richtung" sei die "Konsequenz aus dem was wir sagen", nur so werde es "unausweichlich" (Album-Kommentar v. 15.02.)
http://www.facebook.com/media/set/?set=a.569535339730960.132407.161102710574227&type=1
- Rettung durchs Internet -
Der TV-Journalist Daniel Bröckerhoff war einer der Ersten, der das schreiberische Talent von Max Bryan schon früh erkannte. In seinem Bericht vom Dezember 2011 schrieb er über das Internet und was das Medium für Obdachlose und andere Randgruppen tun könne. Leute die mit Ausgrenzung konfrontiert sind oder mit einer Behinderung leben müssen. Menschen die am Rande der Gesellschaft kaum oder gar nicht wahrgenommen werden. Für sie ist das Internet auch Rettung - im Sinne einer "Stimme", die sie sonst vielleicht nicht haben.
http://danielbroeckerhoff.de/2011/12/31/was-das-internet-fur-obdachlose-und-andere-randgruppen-tun-kann/
- Einzigartig -
Max Bryan ist vermutlich der erste Obdachlose, der noch während seiner Zeit auf der Straße andere Leute interviewte und ihnen einen Plattform bot, wo sie ihre Not schildern können. Man denke nur an diesen Mann aus Hameln, dessen Wohnung abbrannte, während er mit Schlaganfall im Krankenhaus lag. Oder der Mann ohne Beine, der lieber draußen lebt, als seiner Familie zur Last zu fallen. Sie alle haben ihre Geschichte erzählt und sie taten es auf Augenhöhe für jemanden, der selbst noch betroffen ist. Dutzende Zeitungsberichte, die nicht nur über Max Bryan, sondern auch über die Menschen berichten, die er entlang seiner Radstrecke traf. Allein diese Verbindung ist einzigartig und "sucht seines gleichen", urteilen auch seine Anhänger ( http://www.maxbryan.com / Kommentar Elke N., 10. Feb. 2013).
- Armut hat Gesicht -
Und auch wir sehen jeden Tag die Armut in den Gesichtern der Betroffenen, im Bettler vor dem Kaufhaus, im Kranken an der Ecke. Manche geben Geld, wenn das Mitleid sie überkommt, viele gehen aber auch achtlos an ihnen vorüber, denn "wir leben in getrennten Welten", schreibt Bröckerhoff. Und dennoch hat es jemand verstanden, diese beiden Welten zu verbinden, die Sicht der Passanten zu schärfen, für das Fremde und gegen die Vorurteile. "Wer glaubt im Fremden etwas Schlechtes zu sehen, muss zuhören, was er zu sagen hat, schon das könnte alles verändern!", hatte Max Bryan einmal gesagt. Pfarrer Jörg Wiegand lud den damals noch Obdachlosen ein, vor einer 7. Klasse zu sprechen und die Butzbacher Weidigschüler waren interessiert, wollten alles genau wissen, wie das so ist, auf der Staße zu leben, so ganz ohne Geld.
http://www.facebook.com/notes/max-bryan/sag-mir-was-ist-armut/365110096840245
"Danke für Deinen Mut, die Not der Armut öffentlich zu machen", schrieb eine Kommentatorin daraufhin.
- Engagiert durchs Leben -
Und es war nicht das erste Mal, dass Max Bryan die Aufmerksamkeit von sich auf andere lenkte. Im September half er mit bei der Hamburger Aktion "Kunst macht satt", Obdachlose kochen dort in einer von ihnen selbst gestalteten Küche und im darauf folgenden Monat sammelte Bryan Spenden für mittellose Menschen in Hamburg, damit auch die Ärmsten der Stadt zu Weihnachten mal ins Theater gehen können. Dabei hat er selbst kaum etwas wovon er lebt und berichtet gar von löchrigen Schuhen, mit denen er dann zu Weltpremiere von "Rocky - Das Musical" ging. Die Macher der Show hatten ihn dazu eingeladen, auch wegen seiner Verbindung zu Klitschko, 2010 trafen die beiden sich zufällig im Hamburger Hafen.
http://www.facebook.com/notes/max-bryan/rocky-f%C3%BCr-alle-abschlussbericht/533998936618026
- Matussek schreibt Buch -
Jemand der ihn früh auch schon eingeladen hatte, ist der Spiegel-Autor Matthias Matussek. Der Kirchenkritiker entdeckte den Blog des damals noch Obdachlosen zufällig bei Facebook und wollte ihn seit damals immer schon mal treffen. Dann aber verließ Bryan die Stadt und fuhr mit dem Fahrrad Richtung Süden, in der Hoffnung, irgendwo entlang der Strecke eine Wohnung zu finden. Monate später - und im Mai 2012 - kehrte Bryan dann zurück nach Hamburg und der Spiegel-Autor trifft einen überglücklichen Max Bryan, der nach 1000 Kilometern Radstrecke eine kleine Wohnung im beschaulichen Rosendorf Steinfurth, rund 40 Kilometer nördlich von Frankfurt fand.
- Weiteres Treffen -
Erst im Dezember erfuhr Bryan dann, wofür Matussek die Recherchen genutzt hat. Matussek lud ihn zu sich nach Hause ein und überreichte ihn seinen neuen Roman: "Die Apokalypse nach Richard" und im Kapitel "On the Road" beschreibt Matussek einen sonderbaren jungen Mann mit Bart, einen gewissen "Max", der den Roman-Helden "Nick" zufällig auf einer Landstraße nahe Hamburg trifft. Max ist mit dem Fahrrad unterwegs. In einer blauen Mülltüte trägt er all seine Habseligkeiten mit sich und will Richtung Süden, während Nick zum Großvater nach Hamburg will. Die beiden kommen ins Gespräch und die Geschichte nimmt ihren Lauf.
- Freikarten für Rocky -
"Für Max Bryan - den Philosophen der Landstrasse", schreibt Matussek in einer persönlichen Widmung dann auf die Innenseite seines Buches und schenkt dem ehemaligen Obdachlosen dann noch zwei Freikarten für das Rocky-Musical in Hamburg. Bryan hatte sich das gewünscht, nicht für sich, aber für andere. Bryan verteilte die Karten unter den Ärmsten der Stadt und brachte mehrere Leute kostenlos ins Theater (wir hatten berichtet).
- Zurück auf dem Gartenhof -
Zurück auf dem Gartenhof in Steinfurth warten nun große Aufgaben auf den früheren Wissenschaftsautor, der sich seit längerem auch als Hof-Chronist betätigt und an einer Art "Löw-Chronik" arbeitet. Näheres dazu ist noch nicht bekannt. Nur so viel: Es wird wohl eine Hommage an seine Gastgeberin - Heinke von Löw - die gerade 92 Jahre alt geworden ist und die Bryan vor einem Jahr liebevoll aufnahm und seitdem auch fördert.
http://www.facebook.com/notes/max-bryan/zur%C3%BCck-auf-dem-gartenhof/556242861060300
Vor gut 50 Jahren gründete die Freiherrin zusammen mit ihrem Ehemann, dem 1992 verstorbenen Freiherrn Eberhard von Löw den Gartenhof Löw zu Steinfurth und engagierte sich wegweisend auf dem Gebiet der Biodiversität und kulturellen Vielfalt. 2008 bekam sie den Sonderpreis für ihr Lebenswerk vom Bundesumweltministerium (BMU) verliehen.
"Ohne ihr Vertrauen, wäre ich heute noch auf der Straße", schreibt Max Bryan in einer Danksagung an seine Mäzen und zitiert den afroamerikanischen Leichtathleten Jesse Owens, der früher einmal sagte: "Um Erfolg zu haben, brauchst Du nur eine einzige Chance". Mit diesem beherzten Leitspruch schließt Max Bryan seinen aktuellen Bericht - vielleicht auch der letzte dieser Art - denn Beobachter wollen Abschieds-Gedanken entdeckt haben. In einem der Kommentare steht geschrieben: "Ich hoffe, Du hörst nie auf zu schreiben". |