Viele Bürger nahmen trotz Dauerregen an der Stolpersteinverlegung für den Zeugen Jehovas Ernst Schwalm in Büdingen teil.
Gunter Demnig begann Ende der 1990er Jahre seine Idee, Stolpersteine für NS-Opfer zu verlegen, zu verwirklichen. Damals konnte er nicht ahnen, von welchem Erfolg sein Wirken begleitet sein würde.
Vor 25 Jahren wurden die weltweit ersten Stolpersteine in St. Georgen – Holzhausen im österreichischen Flachgau für die Brüder Johann und Matthias Nobis verlegt. Beide waren Zeugen Jehovas und verweigerten den Dienst an der Waffe, weswegen sie standrechtlich in Berlin hingerichtet wurden. Seit diesem Zeitpunkt wurden in ganz Europa über 80.000 dieser in den Boden eingelassenen Denkmäler verlegt. Am 14. September 2022 kamen zu diesen noch 13 Stolpersteine in Büdingen hinzu. 12 davon waren für die jüdischen Familien Speier, Stern und Eulau bestimmt, die vor den Nazis fliehen mußten. Der 13. wurde für Ernst Schwalm, einen Heilpraktiker aus Büdingen, vor dessen Wirkungsstätte am Schloßplatz 4 verlegt. An dieser Zeremonie nahmen auch mehrere interessierte Bürger aus der Region teil. Trotz anhaltendem Dauerregen verfolgten sie die Ansprache von Hans-Joachim Schalies, der sich gründlich mit der Verfolgungsgeschichte von Ernst Schwalm befaßte. Schwalm gehörte den 25.000 Bibelforschern an, die es im Jahr 1933 gab, als Adolf Hitler Reichskanzler wurde. Er beteiligte sich am 12. Dezember 1936 an einer Blitzaktion. An dem die sogenannte Luzerner Protestresolution im gesamten Reichsgebiet verteilt wurde. Diese war auf dem Mitteleuropäischen Kongress der Zeugen Jehovas im schweizerischen Luzern verabschiedet worden und sollte die Öffentlichkeit über die Behandlung der Zeugen Jehovas in den Konzentrationslagern aufklären.
Offensichtlich war auch Ernst Schwalm angeklagt, an der Verteilung dieser Protest-resolution beteiligt gewesen zu sein. Er wurde schon am 15. Dezember 1933 in seiner Wohnung verhaftet und am 6. Januar 1937 ins Gerichtsgefängnis Hanau überstellt. Später kam er als Untersuchungshäftling in das Gerichtsgefängnis Kassel. Vor dem Kasseler Sondergericht wurde er am 10. März 1937 wegen „illegaler Betätigung für die Internationale Bibelforscher-Vereinigung“ verurteilt. Dies hatte zur Folge, daß er in insgesamt sieben der berüchtigsten Konzentrationslager überstellt wurde, nämlich nach Buchenwald, Maidanek, Lublin, Auschwitz, Mauthausen, Melk und Ebensee am Traunsee. Außerdem mußte er drei Todesmärsche von insgesamt 500 Kilometern über sich ergehen lassen.
Ernst Schwalm war nur einer von insgesamt 10.700 Bibelforschern, die in die Fänge des NS-Regimes gerieten. Er war fest entschlossen, seinen Glauben trotz grau-samster Verfolgung zu bewahren, genauso wie es Zeugen Jehovas im heutigen Rußland tun. Dort sind sie ebenfalls nach dem Verbot im Jahre 2017 staatlicher Verfolgung ausgesetzt.
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