In mehreren Zeitungsartikeln wird berichtet, dass im Namen von Religionen und Glaubenstraditionen keine Gewalt ausgeübt werden dürfe. So sagt es Margot Käßmann, die ehemalige Landesbischöfin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche von Hannover. Leider zeigt aber die Geschichte das glatte Gegenteil. Anstatt sich als Friedensstifter zu engagieren ist die Religion bis heute oft der eigentliche Anlaß für Kriege und Unfrieden.
Während die Kirchen Hitler zujubelten und ihm ihre Ergebenheit versicherten, bildeten die Zeugen Jehovas eine rühmliche Ausnahme. Unter dem Hitler-Regime gab es im Jahre 1933 ungefähr 25.000 Angehörige der Glaubensgemeinschaft. Von diesen mußten über 12.000 die Härten des Hitler-Regimes in den Konzentrationslagern und Haftanstalten ertragen. Sie lehnten den Kriegsdienst und alle damit verbundenen Tätigkeiten konsequent ab und nahmen damit auch vielfach Todesurteile gegen sie in Kauf.
Schon am 15. September 1939 wurde im Konzentrationslager Sachsenhausen ein Exempel statuiert. In der Absicht, die Zeugen zu verunsichern, befahl der Lagerkommandant Hermann Baranowski den Bibelforscher August Dickmann in Anwesenheit aller Gefangenen erschießen zu lassen. Er stellte den anwesenden 400 Zeugen Jehovas die Frage, wer nun bereit sei, eine Erklärung zu unterschreiben mit der man seinem Glauben abschwor und sich bereit erklärte, Soldat zu werden. Nicht einer ging darauf ein. Dann traten zwei von ihnen vor. Aber nicht um zu unterschreiben, sondern um ihre geleistete Unterschrift, die sie vor einem Jahr unterschrieben hatten, zurückzuziehen.
In einem Buch zum 750jährigen Stadtjubiläum von Berlin heißt es über die Zeugen Jehovas: „In der großen Evangelischen Landeskirche ist es ein einziger, der den Kriegsdienst bis zur letzten Konsequenz verweigert, bei den Zeugen Jehovas sind es Tausende. Gefängnis, Konzentrationslager, Tod. Keine Religionsgemeinschaft außer den Juden haben die Nazibehörden so systematisch verfolgt. Zeugen Jehovas heben nicht den Arm zum „Deutschen Gruß“, leisten keinen Eid, nehmen kein Gewehr in die Hand“.
Martin Niemöller, der einige Zeit im Büdinger Schloß lebte, schrieb in seinem Werk „Ach Gott vom Himmel sieh darein (Sechs Predigten“ folgendes:
Man hat mit Recht darauf hingewiesen, dass bis in unsere Tage hinein die Kirchen selten ein Wort gefunden haben, um deutlich zu sagen, dass Kriege kein erlaubtes und von Gott gebilligtes Mittel sind, um noch so gute und berechtigte Ziele zu erreichen; man kann mit gleichem Recht daran erinnern, dass sich die christlichen Kirchen Jahrhunderte hindurch immer aufs neue dazu hergegeben haben, Kriege, Truppen und Waffen zu segnen, und dass sie in ganz unchristlicher Weise für die Vernichtung der Kriegsgegner gebetet haben. Aber das ist unsere Schuld und die Schuld unserer Väter, aber gewiß nicht Gottes Schuld – Und zumal wir Christen von heute stehen beschämt da vor einer sogenannten Sekte wie der der ernsten Bibelforscher, die zu Hunderten und Tausenden ins Konzentrationslager und in den Tod gegangen sind, weil sie den Kriegsdienst ablehnten, und sich weigerten, auf Menschen zu schießen“.
Wie der langjährige Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover, Hanns Lilje, im Jahre 1947 feststellte, können die Zeugen Jehovas 'für sich in Anspruch nehmen, die einzigen Kriegsdienstverweigerer großen Stils zu sein, die es im Dritten Reich gegeben hat, und zwar offen und um des Gewissens willen'.
Ich bin stolz darauf, einer Religionsgemeinschaft angehören zu dürfen, die sich bis heute geschlossen weigert sich in Kriegshandlungen einbinden zu lassen und weltweit konsequent ihre christliche Neutralität bewahrt. Ich bin stolz darauf, daß durch Jehovas Zeugen kein einziger in Kriegshandlungen sein Leben verloren hat weil keiner von ihnen in den Krieg zieht und lieber Gefängnisstrafen auf sich nimmt, anstatt auf andere zu schießen.
Ich stimme voll und ganz dem zu, was die Historikerin Susannah Heschel in einer Videodokumentation zum Ausdruck brachte: „Was, wenn sich die evangelische Kirche wie die Zeugen Jehovas verhalten hätte? Oder die Katholiken? Meiner Ansicht nach wäre die Geschichte völlig anders verlaufen“.
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