„Mann der großen Gesten“
Oskar Schindler hat eine besondere Menschenliebe entwickelt. Diese hat er dadurch zum Ausdruck gebracht, daß er 1200 Juden vor dem Vernichtungsla-ger des NS-Regimes gerettet hat.
Was Oskar Schindler für die Juden war, war der finnische Arzt Dr. Felix Kersten für die Bibelforscher oder Zeugen Jehovas. Er war Himmlers Leibarzt und ihm gehörte das Hofgut Hartzwalde bei Ravensbrück. Er nutzte seine Verbindungen zu Himmler um zu erreichen, daß dort Häftlinge als Arbeitskräfte eingesetzt wurden. Durch Himmler versuchte Dr. Kersten dann ein paar Zeugen Jehovas als Hilfskräfte für sein Hofgut zu bekommen. Da Himmler viel für seinen Leibarzt tat, wurden ihm diese auch zugewiesen. So ließ Dr. Kersten die Gefangene Anni Gustavsson als Dienstmädchen in sein Haus in Schweden kommen. Dort konnte sie sich sogar den „Wachtturm“, die verbotene Zeitschrift der Zeugen Jehovas, ungehindert besorgen. Kersten bot sich an, den in Hartzwalde arbeitenden Zeugen heimlich Schriften zu überbringen. Immer wenn er nach Deutschland reiste, ging er vorher zu Anni und fragte sie: „Haben Sie etwas? Ich nehme es gern mit. Ich stecke es in meine Tasche, in meine Manteltasche, weil ich ja nicht durchsucht werde.“ Und er tat es bereitwillig. Die Schriften wurden von Hartzwalde in die nahe gelegenen Lager Ravensbrück und Sachsenhausen eingeschleust. So entstand ein weiteres geheimes Kommunikationsnetz. Durch seinen guten Einfluß auf Himmler hat Dr. Kersten vielen geholfen, aber es gelang nicht immer, was ihn dann betrübte.
Auch Gottlieb Bernhardt, ein früherer Offizier der Waffen-SS auf der Wewelsburg, weiß von Dr. Kersten. Als er nach einer schweren Verletzung an der russischen Front bei Temperaturen unter minus 30 Grad wieder nach Deutschland gebracht wurde begegnete er im Führerhauptquartier am Obersalzberg in Berchtesgaden dem Reichsführer SS Heinrich Himmler. Er veranlaßte, daß er von seinem persönlichen Leibarzt Felix Kersten behandelt wurde. Auch er wußte, daß Heinrich Himmler die Genehmigung erteilt hatte, daß Bibelforscher auf dem Hofgut Hartzwalde arbeiten durften und Kersten behandelte die Zeugen immer mit Respekt. Der Grund für die Genehmigung war auch, daß Jehovas Zeugen als gute Arbeiter bekannt waren und keine Fluchtversuche unternahmen, da sie dieses als mit ihrem Glauben unvereinbar ansahen.
Auch Gottlieb Bernhard setzte sich für die Bibelforscher ein. Die Gespräche mit Ernst Specht und seinem Glaubensbruder Erich Nikolaizig, der als Friseur arbeitete, hinterließen einen tiefen Eindruck bei ihm. „Ich dachte jedoch bei mir: Wenn sich jeder im sogenannt christlichen Deutschland mit Millionen von Kirchenmitgliedern so verhalten hätte wie die Bibelforscher, wäre ein Krieg unmöglich gewesen. Mir wurde bewusst: Man müßte sie eigentlich bewundern und nicht verfolgen.“ Im Jahre 1945 rückten die Allierten immer näher. Eine SS-Einheit überbrachte von Himmler den Befehl, die Wewelsburg zu zerstören und die Häftlinge – fast alles Zeugen Jehovas, zu liquidieren. Der Kommandoführer des nahe gelegenen Konzentrationslagers gab ihm eine Liste der zu exekutierenden Häftlinge: alles Bibelforscher. Dann tat Gottlieb etwas, was für einen SS-Offizier undenkbar war: Er verweigerte den Gehorsam. Damit rettete er das Leben von etlichen Bibelforschern.
Nach dem Krieg schlossen sich Inge und Gottlieb, der frühere Offizier der Waffen-SS den Zeugen Jehovas an. Auch Martha Niemann, die als Sekretärin auf der Wewelsburg arbeitete schloß sich den Zeugen Jehovas, da sie von dem Verhalten der Bibelforscher in den Konzentrationslagern sehr angetan war und wurde selbst eine tüchtige Zeugin Jehovas.
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