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„Meine Mutter war erst 32 Jahre und sah aus wie ein altes Mütterchen“
04.02.2020 07:29:54
„Meine Mutter war erst 32 Jahre und sah aus wie ein altes Mütterchen“
- Renate Leischnig aus Gedern erlebte eine Verfolgungsgeschichte unter dem Nazi-Regime und danach in der DDR -
Als der damalige Bundespräsident Roman Herzog im Jahr 1996 auch in der BRD den 27. Januar zum „Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus“ einführte, wurden Hunderte von Gedenkveranstaltungen für die verschiedenen Opfergruppen durchgeführt. Auch Jehovas Zeugen, die als einzige Religionsgemeinschaft geschlossen Widerstand gegen das Nazi-Regime zeigte, wurden dadurch vermehrt in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. „Dies trug dazu bei, daß sich zahlreiche Historiker mit der Verfolgungsgeschichte unserer Religionsgemeinschaft unter dem Nationalsozialismus und danach in der DDR beschäftigt haben. Seitdem gehören Jehovas Zeugen nicht mehr zu den „vergessenen Opfern“, so Hans-Joachim Schalies, der als Geschichtsforscher über die Geschichte von Jehovas Zeugen und als Medienbeauftragter in Büdingen tätig ist.
Bei seinen Recherchen stieß Schalies auch auf die Verfolgungsgeschichte von Renate Leischnig, die viele Jahre in Gedern, Nidda, Schotten und Umgebung als Sondervollzeitpredigerin tätig war. Sie wohnte in den Jahren 1957 bis 1961 in der Lauterbacher Straße im Haus von Hermann Seipel, wo sich auch das Gasthaus „Zum kühlen Grund“ befand. Hier ein Einblick in ihre doppelte Verfolgungsgeschichte zunächst unter den Nazis und dann auch in der DDR.
Renate Leischnig wurde am 25.01. 1931 in Brunlos (Kreis Stollberg, Erzgebirge) geboren. Ihre Eltern Marthel und Otto hatten sich Anfang der 1930er Jahre mit den Bibelforschern verbunden und beteiligten sich auch am Missionswerk von Haus zu Haus. Das blieb den Machthabern natürlich nicht verborgen. So kam es dazu, dass ihre Mutter im Jahre 1937 verhaftet wurde. Sie hatte sich an der Verbreitung der Bibelforscher-Broschüre „Faschismus oder Freiheit“ beteiligt. Anstatt nach ihrer Gefängniszeit freizukommen, wurde sie anschließend in das Konzentrationslager Ravensbrück eingeliefert. Hier weigerte sie sich Munitionstaschen und andere Ausrüstungsgegenstände für die Wehrmacht herzustellen. Als Strafe bekam sie 25 Stockhiebe. Himmler stand grinsend dabei während zwei Kriminelle, die vorher gut gefüttert wurden, die Stockhiebe austeilten. Dabei flogen die Fleischfetzen nur so weg. Offensichtlich waren 25 Stockhiebe als „Willkommensgruß“ der SS in den Konzentrationslagern gedacht.
Tochter Renate beschrieb ihre Mutter so: „Meine Mutter war erst 32 und sah aus wie ein altes Mütterchen. Ich habe sie nicht wiedererkannt, nur ihre Stimme“. Die Verfolgung ließ Marthel Leischnig über sich ergehen, obwohl sie noch gar keine getaufte Zeugin Jehovas war. Ihre Taufe erfolgte erst im Jahre 1947. Zu den schönsten Erlebnissen gehörte für sie das zufällige Zusammentreffen mit einer ehemaligen KZ-Aufseherin Mitte der 70er Jahre auf einem Kongreß der Zeugen Jehovas. Diese war von der Standhaftigkeit der Zeuginnen so beeindruckt, dass sie nach der Befreiung selbst Zeugin Jehovas wurde.
Auch ihr Vater, Otto Leischnig, musste für seinen Glauben Verfolgung in Kauf nehmen. Er wurde im Jahre 1936 verhaftet. Er wird zu 15 Monaten  Haft verurteilt und anschließend ins KZ-Buchenwald eingeliefert. Dort verbrachte er neun Jahre  bis er im Jahre 1945 durch die Amerikaner befreit wurde. Otto erhielt mit noch anderen 33 Zeugen Jehovas „50 Stockhiebe über dem Bock“. Danach wurde er mit seinen Glaubensbrüdern für 50 Tage in den sogenannten „Schwarzen Bunker“ gesperrt. In diesem herrschte andauernde Dunkelheit und war hermetisch abgeriegelt.
Nun zurück zu ihrer Tochter Renate. Sie war erst fünf Jahre alt, als ihre beiden Eltern von den Nazis inhaftiert wurden. Ihre Großeltern hatten einen Bauernhof und kümmern sich um sie. Ihre Oma erzählt ihr, dass ihre Mutter im Krankenhaus liege. Später erfährt sie aber von ihrer Verhaftung. Der Grund war folgender: Im ganzen deutschen Reich wurde von den Bibelforschern morgens um 4 Uhr der sogenannte „Offene Brief“ am 20. Juni 1937 in einer Blitzaktion verteilt. Dieser wurde in Briefkästen gesteckt oder unter die Haustürmatten gelegt. Bevor die SS Kenntnis hiervon erhielt war die Aktion bereits abgeschlossen.Der Großvater war sehr bibelgläubig und er erwartete auch von den Enkeln, dass sie abends mit ihm in der Bibel lasen. Er schenkt ihr Bücher, in denen Bilder zu sehen waren, wie der Teufel Leute mit schmerzverzerrten Gesichtern in den Flammen standen. Daraufhin fragt sie den Pfarrer, wo das in der Bibel steht. Daraufhin bekommt sie zur Antwort: „Du hast nicht zu fragen, Du hast nur zu glauben!“.
Sie erzählt selbst: „1937 kam ich zur Schule. In den großen Ferien 1937 durfte ich zu meinen Großeltern nach Pockau. Als die Ferien zu Ende waren, fragte meine Großmutter, ob ich bei ihnen bleiben wolle. „Erlaubt es denn meine Mutti?“, fragte ich. Großmutter sagte: „Ja, sie ist im Krankenhaus.“ Ich war sehr erfreut, bleiben zu können. Später, nach ein paar Wochen sagte meine Kusine Dorchen zu mir: „Ha, du glaubst ja alles. Deine Mutter ist nicht im Krankenhaus. Sie ist eingesperrt – sie ist ein Bibelwurm!“. Weinend lief ich zu meiner Oma. „Oma, Oma, was ist ein Bibelwurm?“ Ich erzählte ihr die Worte Dorchens. Meine Oma war böse darüber und erklärte mir, dass meine Mutter in den großen Ferien verhaftet wurde“.
Weiter erzählt sie: „Mit 7 Jahren musste ich zu Tante Elsbeth und Onkel Kurt Spiegelhauer nach Chemnitz. In Chemnitz ging ich zur André Schule auf dem Kaßberg. Meine Lehrerin, Frau Oswaldt war total NAZI – ich bekam jeden Tag Schläge. Eines Tages ließ die Lehrerin alle Schülermappen liegen. Ich hatte Tafeldienst und sah in meine Mappe. Auf der ersten Seite, quer übers Blatt geschrieben, stand: Eltern Bibelforscher im KZ! Jetzt wusste ich, warum sie mich so haßte“.
Sie erhält von ihrer Lehrerin, Frau Oswald, die nationalsozialistisch eingestellt ist, nur schlechte Schulnoten und jeden Tag von der Lehrerin Schläge aufgrund von Nichtigkeiten. Als sie nach zwei Jahren die Schule wechselt, erhält sie sehr gute Noten. Sie muß sich aber jede Woche beim Jugendamt zur Umerziehung melden.
Trotzdem geht sie gerne dorthin, weil „die sehr nett zu mir waren“. In der Schule weigert sie sich mit dem deutschen Gruß zu grüßen. „Heil Hitler“ kam nicht für sie infrage, denn Heil erwarten Jehovas Zeugen gemäß dem Bibelbuch Apostelgeschichte Kapitel 4, Vers 12 nur von ihrem Gott Jehova und seinem Sohn Jesus Christus. Dort heißt es: „ Außerdem kommt durch keinen anderen Rettung, denn es gibt keinen anderen Namen unter dem Himmel, der den Menschen gegeben worden ist, durch den wir gerettet werden sollen.“
„In der Heinrich-Beck-Schule hatte ich einen alten, sehr gütigen Lehrer, Herrn Händel. Er bestellte meine Tante und fragte, warum ich so schlechte Noten hatte. Ich sei eine sehr gute Schülerin, die Noten passten nicht zu mir. Sie sagte ihm, er solle in meine Schulmappe gucken, da wusste er warum.“
Als im Jahre 1950 die Zeugen Jehovas auch in der DDR verboten werden, wird die Verfolgungsgeschichte fortgesetzt. Renate Leischnig entscheidet sich aber trotzdem für den Glauben der Zeugen Jehovas und weigert sich, an der anstehenden Wahl  teilzunehmen. Auf einer Wahlveranstaltung wird Stimmung gegen sie gemacht. Dort wurde über Renate gesagt: „Eine hat nicht gewählt. Das sind Helfershelfer für die amerikanischen Imperialisten. Sie betreiben Kriegs- und Boykotthetze“. Nachdem sich Renate auf einem Kongreß in Berlin im Jahre 1950 taufen lässt, wird sie bei ihrer Rückkehr verhaftet und wird mehrere Tage lang verhört. Während des Verhörs zerriss sie ihre Kongressnotizen. Schließlich fragte sie der Stasi-Offizier: „Warum haben Sie ihre Notizen vor den Augen der Polizei zerrissen?“. Als Antwort sagte sie: „Weil ich die Notizen für mich gemacht habe und nicht für die Polizei“. „Hauen Sie ab, Sie Rotzgöre, Sie Grünschnabel!“ war die Antwort.
 
Nachdem Sie das Verhör hinter sich gebracht hat, geht sie wieder ihrer Missionsarbeit nach. Sie wird verhaftet und für zwei Wochen eingesperrt. Sie wechselt ihren Wohnort und zieht nach Zeuthen im Kreis Königs Wusterhausen bei Berlin. Dort versorgt sie die russischen Soldaten mit Literatur. Diese war verboten, aber das schreckt Renate nicht ab. Die russischen Soldaten begrüßen sie mit „Fräulein Wachtturm“. Später wurde ihr verraten, dass man nach ihr sucht. Als sie in Lohm, Kreis Kyritz, wieder für ihren Glauben aktiv ist, wird sie von dem zuständigen Pastor beobachtet. Dieser hat nichts eiligeres zu tun, als sie beim Bürgermeister anzuschwärzen. Er sagte zu ihm: „Ich war als Kommunist im KZ und da war ich mit Zeugen Jehovas zusammen. Wenn die SS Maßnahmen gegen diese Menschen ergriffen hat, ist denen die Strafe auf dem Fuß gefolgt. …Ich unternehme gegen das Mädchen nichts. Die ist so fleißig.“ Sie wird verhaftet und für zwei Wochen eingesperrt. Sie wechselt ihren Wohnort und zieht nach Zeuthen im Kreis Königs Wusterhausen bei Berlin. Dort versorgt sie die russischen Soldaten mit Literatur. Diese war verboten, aber das schreckt Renate nicht ab. Die russischen Soldaten begrüßen sie mit „Fräulein Wachtturm“. Schließlich wird sie Ende Oktober 1952 zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt….Renate berichtet: „Der Staatsanwalt hatte ein Pferd und andere Dinge unterschlagen….Er wurde nach dem Prozeß als Dieb entlarvt und verlor seinen Posten. Beim Prozeß sagte er noch zu mir: „Zehn Jahre würden nicht genügen, um Sie davon abzubringen, ein Zeuge Jehovas zu sein“.1955 begann man, Urteile zu überprüfen. Ich rechnete nicht mit Entlassung. Doch 1957 wurde ich entlassen. Bei der Verhaftung kamen wir erst zur STASI nach Kyritz, dann nach Potsdam. Nach dem Prozeß kam ich nach Cottbus“. Schließlich kommt Renate Leischnig nach fast fünf Jahren überraschend frei. Als sie wieder missioniert kommt sie an das Haus eines Polizisten. Dieser verhört sie vier Stunden lang, lässt sie aber wieder gehen. Sie erzählt: „Ich ging nach Zeuthen, Krs. Königswusterhausen. Arbeitete von morgens 7 – 14 Uhr, um Geld zu verdienen, danach als Pionier (Vollzeitpredigerin). Ich fuhr auch mit Literatur als „Kurier“ nach Chemnitz mit dem Zug. Im Jahre 1957 wird sie vorzeitig aus der Haftanstalt entlassen.
 
Einen Tag nach ihrer Entlassung aus der Haftanstalt flüchtet sie nach Berlin und kommt von dort ins hessische Gedern, wo sie ihren Missionsdienst im Gebiet von Nidda, Schotten und Gedern fortsetzt. In dieser Zeit war sie auch an der Gründung der Versammlung der Zeugen Jehovas in Nidda beteiligt. Später verzieht sie nach Witzenhausen, heiratet und ist auch wieder mit der Ortsversammlung der Zeugen Jehovas verbunden. Dort war sie auch als Zeitzeugin unterwegs, so zum Beispiel bei der Wanderausstellung „Standhaft trotz Verfolgung – Jehovas Zeugen unter dem NS-Regime“.
 
Am 16. September 2017 verstirbt Renate Leischnig (jetzt Bekheet) im Alter von 85 Jahren in der Gewissheit einer Auferstehung zum ewigen Leben auf einer paradiesischen Erde.
 

veröffentlicht von Schalies Hans-Joachim


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